Archiv - Aktivities des Lionsclubs Dorsten-Hanse

Zwischen Moschee und Minirock

Melda Akbas liest vor Petrinum-Schülern (von Ute Hildebrand-Schute - 06.04.2011)


Passenderweise trug sie tatsächlich einen Minirock, die 19-Jährige, die Franz-Josef Stevens, Impresario des Vereins „Altes Rathaus“, vorher als „seine jüngste Referentin aller Zeiten“ bezeichnet hatte. „Zwischen Moschee und Minirock“ hieß die Veranstaltung, zu der Stevens bereits am Dienstag Abend die junge Türkin Melda Akbas im Alten Rathaus begrüßen konnte.
Eine zweite Veranstaltung gab es am Mittwoch Morgen für Oberstufenschüler des Petrinums im VHS-Forum. Die Berlinerin las hier aus ihrem jüngst erschienenen Buch „So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock“. Gleich die erste Passage, die sie vorlas, schilderte den alltäglichen Konflikt in ihrer Familie: „Babba“, ihr Vater, inspiziert die Tochter mit kritischen Blicken, als sie das Haus verlassen will: „So willst Du doch wohl nicht gehen?“ Sie will schon, darf aber nicht, weil ihrem Vater ihre Kleidung zu freizügig scheint. „Babba“ pocht auf alte Sitten und Traditionen, bestimmt auch, dass ein Mädchen abends nicht alleine auf die Straße darf, dass es keinen Sex vor der Ehe gibt und überhaupt die Kontakte zum anderen Geschlecht nach strengen Regeln zu laufen haben.

Melda Akbas wurde in Deutschland geboren, ist gläubig – aber nicht streng religiös und fand ihren ganz eigenen Weg aus den Engen des Elternhauses. Sie war eine gute Schülerin und wurde von ihren Eltern aufs Gymnasium geschickt, eine Eliteschule in einem „besseren“ Berliner Stadtteil sogar. Hier engagierte sie sich in der Schülervertretung und im Bezirksschülerausschuss, arbeitete auch für die Türkische Gemeinde Deutschland (TGD). Das war ihr Freiraum, ihre Chance von zu Hause weg zu kommen.

„Es war auch gedankliche Freiheit. Ich habe viele Leute kennengelernt und wurde mit unterschiedlichen politischen Ansichten konfrontiert. Das war, als hätte sich eine große Wundertüte geöffnet“, schildert die 19-Jährige, die im letzten Jahr ihr Abi gemacht hat. Nicht an ihrer Eliteschule übrigens, sondern an einem Gymnasium in Kreuzberg mit einem Migrantenanteil von 98%, an das sie freiwillig gewechselt war, weil sie fand, sie müsse die Lebenswirklichkeit ihrer Altersgenossen besser kennenlernen.

Sie habe nie Kopftuch getragen, erklärt Melda Akbas auf eine Frage der Schüler. Wie im übrigen auch die meisten Frauen ihrer Generation nicht. Und wenn, dann als modisches Accessoire und kombiniert mit Minirock. Von einem Kopftuch- oder Burka-Verbot hält sie nichts. „Integration“ scheint ihr wie ein von Politikern erfundenes Modewort, das für „Anpassen“ und „Einfügen“ steht. Für sie ist integriert, wer sich innerhalb der Gesellschaft bewegt in Beruf und Privatleben. Sich selber sieht sie als Deutsche und Türkin, hier aufgewachsen, aber mit tiefer Verbundenheit zur Türkei.

Ihr Buch, für das sie durch ihre Mitarbeit bei der TGD ein Angebot von einer Agentur bekam, hat Melda Akbas den Eltern erst zu lesen gegeben, als es bereits im Druck war. Sie haben toleriert, dass sie den Konflikt zwischen den Erwartungen ihrer Familie und ihrem eigenen Wunsch nach Selbstbestimmung öffentlich gemacht hat und haben ihren Frieden damit geschlossen.

Wie gehen die Eltern heute damit um, dass sie jetzt ständig auf Lesereise ist, fragten sie Schüler? Nun, Melda Akbas hat sich direkt nach dem Abi der elterlichen Kontrolle entzogen, ist von zu Hause weg und nach Hamburg gegangen. Seitdem ist die Lage entspannt. Und bald will sie anfangen zu studieren.

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